Die Gauklerin von Kaltenberg by Freidank Julia

Die Gauklerin von Kaltenberg by Freidank Julia

Autor:Freidank, Julia [Julia, Freidank,]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Historischer Roman
ISBN: 9783547920024
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2010-09-23T22:00:00+00:00


8

Anna hatte in den Skriptorien von Freising nicht erfahren, was sie gehofft hatte. Aber jetzt wurde es Frühling, und sobald die Nächte warm genug waren, würden wieder Reisende kommen. Sie würden Nachrichten mitbringen, und vielleicht würde ja einer von ihnen das Lied kennen, das Anna suchte. Sie war entschlossen, einen Bürgen für ihre Unschuld zu finden, bis Ulrich wiederkam. Ungeduldig wartete sie auf seine Rückkehr. Ein völlig durchgefrorener Pilger, der an den Schrein des heiligen Korbinian wollte, erzählte, der König sei auf einem Kriegszug. Anna machte sich Sorgen. Hoffentlich war Ulrich nichts zugestoßen!

Durch das Schmelzwasser in den Bergen war der Pegel der Isar gefährlich angestiegen, als sie im Auftrag des Sendlingers eine Botschaft nach Weihenstephan brachte. Wie ein gestrandetes Schiff lag die mächtige Benediktinerabtei auf dem benachbarten Hügel über Freising. Von hier oben konnte sie sehen, dass die Flussarme sich zu einer einzigen breiten Wasserfläche vereinigt hatten. Unten pflügte ein Ochsengespann. Hinter der schweren eisernen Pflugschar, welche die glänzenden Schollen aushob, ging der Bauer. Aus dem Tuch um seine Hüften warf er mit gleichmäßigen Bewegungen das Saatgut in die Furche. Hinter ihm rannten Kinder und verscheuchten die hungrigen Krähen. Die Schneefelder auf den Brachflächen wurden kleiner. Zu Ostern würden sie verschwunden sein.

Anna gab den versiegelten Brief des Bischofs an der Klosterpforte ab. Während sie auf Antwort wartete, bewunderte sie die Brauerei von Weihenstephan. Die Kessel im Gewölbe des riesigen Sudhauses waren gewaltig, und der herbe Malzgeruch betäubte sie. Das Braurecht, das die Abtei für sich in Anspruch nahm, hatte zu ihrer Macht beigetragen.

»Hier gibt man den Hopfen zu«, erklärte ihr der Mönch, der sie schon die ganze Zeit verstohlen von der Seite betrachtete. Ohne die dunklen Ringe unter seinen Augen und die ständig feuchten Lippen hätte er ein gutaussehender Mann sein können, aber er hatte etwas Gehetztes, das Anna nicht gefiel. Außerdem hatte sie sein Mitbruder vorhin gewarnt: Er sei hinter jedem Rock her, seit ihn der Hunger ins Kloster getrieben hätte.

Jetzt griff er in ein Holzgefäß und streute Kräuter um die Kupferkessel. Dabei murmelte er halblaute Beschwörungen. Anna kannte den Brauch. Sie hatte selbst gelernt, Brauhexen, die den Geschmack verdarben, so vom Bier fernzuhalten.

»Und das hier«, sagte der Mönch und förderte ein verschrumpeltes Ding aus seinem Skapulier zutage, »ist das Geschlechtsteil eines Hundes, in Petersilie gelegt. Der beste Liebeszauber weit und breit.« Er zog sie zu sich heran und schob seine spinnendürren Finger unter ihre Cotte. Der scharfe Malzgeruch seiner Kutte nahm ihr den Atem, und widerwillig stieß sie ihn weg.

»Nun wehr dich doch nicht«, flüsterte er. »Eine Gauklerin, die Liebeslieder singt, treibt es doch mit jedem. Der Bischof hält sich dich nur dafür.«

Überrascht hob Anna sein Kinn, so dass er ihr in die Augen sah. »Wer sagt das?«

»Die Leute reden eben.« Die kräuterduftenden Finger betasteten ihre Brüste.

Dieser kleine Teufel von Hofnarr!, dachte sie wütend. Vermutlich hatte er das Gift gestreut. Einer Gauklerin würde niemand glauben, dass es anders war. Sie musste dringend Eva fragen, was sie tun sollte. Aber zuerst musste sie diesen Burschen loswerden. Anna lächelte. Mit beiden Händen griff sie sein Skapulier und brachte ihren Mund dicht an seinen.



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